Oberverwaltungsgericht setzt auf Antrag der Gewerkschaft ver.di
Rechtsverordnung zur Ladenöffnung am 27.10.2019 in Bad Kreuznach außer Vollzug
6 B 11533/19.OVG
Die Bad Kreuznacher Allianz für den freien Sonntag begrüßt die einstweilige
Anordnung des Oberverwaltungsgericht Koblenz gegen eine sonntägliche
Ladenöffnung am 27.10.2019. Auch sie sah keine rechtlichen Gründe, hier
vom Sonntagsschutz abzuweichen. Die Gewerkschaft ver.di hatte vom Recht
Gebrauch gemacht, eine Verwaltungsentscheidung gerichtlich prüfen zu
lassen. Da namhafte Kräfte aus Politik und Wirtschaft versuchen, den
Sonntag zum 7. Werktag zu machen, galt es, den Anfängen zu wehren.
„Von den genannten Grundsätzen ausgehend stehe die von der
Antragsgegnerin festgesetzte sonntägliche Ladenöffnung am 27. Oktober
2019 aus Anlass des „Herbstmarkts“ mit dem verfassungsrechtlich gebotenen
Sonntagsschutz nicht in Einklang“, stellte das OVG u.a. fest. Gegen den
Beschluss gibt es keine weiteren Rechtsmittel.
Was nach dem "Worms-Urteil" vom 17.5.2017 in Bad Kreuznach als
"Kompromiss" gefordert wurde, hatte man 2014 noch abgelehnt, statt dessen
einen dritten und einen vierten offenen Sonntag durchgezogen. Seit Herbst
2015 ist die Rechtslage im Detail geklärt. Sie zu ignorieren wäre kein
"Kompromiss". Selbst wenn die Allianz künftig etwas nicht verhindern könnte,
würde sie weiterhin am Sonntagsschutz festhalten.
Die Kurzfristigkeit der Absage verantwortet nicht die Klagende. Bei zeitiger
Beantragung hätte die Rechtsverordnung vor dem 8.10. veröffentlicht werden
können. Erst ab dann konnte das Gericht angerufen werden. Wurden hier
einige Opfer ihrer Verzögerungstaktik?
Statt zu fragen, warum ver.di in Bad Kreuznach klagt, nicht aber überall, stellt
die Allianz die Frage, warum geltendes Recht hier überhaupt eingeklagt
werden muss.
Der Herbstmarkt bleibt unberührt, er kann stattfinden. Als selbsttragende
Veranstaltung mit über 30.000 Besuchern angekündigt, kann ja niemand
ernstlich Schaden nehmen, wenn die Läden zu bleiben. Im Gegenteil, das
Einzelhandelspersonal kann auch daran teilnehmen.
Im Einzelnen erklärt die Allianz:
Die Mitglieder der Allianz für den freien Sonntag in Bad Kreuznach, die
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die
Katholische Arbeitnehmerbewegung und die Kolping-Familie begrüßen es, dass das
Oberverwaltungsgericht Koblenz per Einstweiliger Anordnung eine Öffnung der
Verkaufsstellen für Sonntag, den 27. Oktober 2019 untersagt hat. Sie sehen sich in ihrer
Einschätzung bestätigt, daß es keine rechtlichen Gründe dafür gab, in dem Fall den
verfassungsunmittelbaren Sonntagsschutz hinter anderen Interessen zurück zu stellen.
Die Gewerkschaft ver.di, eine der Trägerorganisationen der Landesallianz für den freien
Sonntag, hat vom Recht aller natürlichen und juristischen Personen Gebrauch gemacht,
eine sie betreffende Verwaltungsentscheidung durch ein zuständiges Gericht überprüfen
zu lassen.
In Bad Kreuznach gibt es seit Ende 2013 zunächst gewerkschaftliche, später mit den
Kirchen gemeinschaftliche Bemühungen der oben genannten, den freien Sonntag zu
verteidigen. Das auch vor dem Hintergrund dessen, dass namhafte wirtschaftliche
Interessengruppen und politische Kräfte bundesweit eine generelle Sonntagsöffnung
fordern. Sie wollen den siebten Tag zum siebten Werktag machen. Hier, so die Mitglieder
der Allianz, galt und gilt es, den Anfängen zu wehren.
Eine politische Kompromisslinie wurde vor Ort von den Betreibern 2014 und später
abgelehnt, statt dessen in einer "Herr-im-Haus-Manier" ein dritter und dann noch ein
vierter verkaufsoffener Sonntag durchgezogen. Für letzteren reichte den Verantwortlichen
gar die Einweihung neuer Räumlichkeiten eines Baustoffhändlers als Begründung.
Seit Ende 2015 gibt es dann auch eine höchstrichterliche Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, welche die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
von 2009 konkretisierte. Es bedurfte eines weiteren Urteils 2017 um klar zu stellen, dass
diese auch in Rheinland-Pfalz zu beachten ist. Erst als man in Bad Kreuznach erkannte,
dass das, was über Jahre Praxis war, gerichtlichen Überprüfungen nicht mehr stand halten
wird, kam die Forderung nach einem Kompromiss. Genauer gesagt nach der Zusage
seitens der Allianz, ein oder zwei rechtswidrige Sonntagsöffnungen zu tolerieren.
Gesellschaftspolitisch wird sie das nicht, selbst wenn juristische Mittel einmal ihre Grenze
erreichen sollten. Es wird in Bad Kreuznach keine sonntägliche Ladenöffnung geben von
der gesagt werden könnte, die Mitgliedsorganisationen der lokalen Allianz für den freien
Sonntag hätten diese akzeptiert.
Vorschläge wie jener der KAB, doch einen rechtlich unbedenklichen „Mantelsamstag“
durchzuführen, mit all den von vom Antragsteller genannten Zielen in einem großen
Zeitraum vom Vormittag bis 22 Uhr, stießen auf taube Ohren.
Wenn im konkreten Fall nun geklagt wird, der Gerichtsentscheid sei so kurzfristig, dann
liegt die Verantwortung dafür zuerst beim Antragsteller, des weiteren auch bei der Stadt in
ihrer Doppelrolle als Genehmigungsbehörde und zugleich als Partei im politischen Streit
um Sonntagsöffnungen. Der Antragsteller publizierte schon im Januar seine Absicht, am
27.10.2019 einen Herbstmarkt mit Ladenöffnung durchzuführen. Was hinderte ihn,
wissend um den Streit darüber, z.B. im April schon, 1/2 Jahr zuvor, die Anträge zu stellen?
Was hinderte die Stadt, nach dem die Anträge Mitte Juli eingegangen waren, vor Ende
August das gesetzlich vorgeschriebene Anhörungsverfahren für die Ladenöffnung
einzuleiten und das für den Herbstmarkt vor dem 13. September? Niemanden der
Verteidiger des freien Sonntags kann es zugerechnet werden, dass die diesbezügliche
Rechtsverordnung erst 18 Tage vor dem 27.10. rechtskräftig wurde. Aber erst ab dem
Termin sind rechtliche Schritte dagegen möglich. Wurde hier bewusst verzögert, um sich
im Falle einer für den Sonntagsschutz positiven Gerichtsentscheidung als "Opfer"
darstellen zu können?
Die Rechtsverordnung erlangte am 9.10. Rechtskraft. Bereits am 10.10. bestätigte das
zuständige Gericht den Eingang des Antrags auf eine einstweilige Anordnung. Schneller
konnte das nicht gehen. Trotzdem wurde von einigen gegenüber der Öffentlichkeit der
Eindruck erweckt, die Klagenden wollten aus taktischen Gründen mit der Anrufung des
Gerichts bis kurz vor den 27.10. warten.
Jenen die fragen, warum ver.di in Bad Kreuznach klage, woanders nicht, stellt die Allianz
die Gegenfrage: Warum setzen bundesweit Kommunen geltendes Recht beim
Sonntagsschutz nicht um? Ver.di und kirchliche Kläger gewinnen in über 90% der Fälle,
was doch ein starkes Indiz dafür ist, daß ein Großteil der Sonntagsöffnungen rechtswidrig
ist. In welchem anderen Rechtsbereichen neben dem Sonntagsschutz ist es noch üblich,
daß geltendes Recht nicht von staatlichen und kommunalen Behörden durchgesetzt wird,
sondern ständig gegen diese von Dritten eingeklagt werden muss?
Die Läden werden also am 27.10. 2019 zu bleiben. Unberührt davon ist der Herbstmarkt,
der nicht Gegenstand des Rechtsstreits war. Die Veranstalter bezeichneten ihn ja
öffentlich als eine sich selbst tragende Veranstaltung mit 30.000 bis 35.000
Teilnehmenden auch ohne Ladenöffnung. Die Allianz wünscht gutes Gelingen und freut
sich, dass auch die Verkäuferinnen und Kassiererinnen, es sind ja weit überwiegend
Frauen, die an Kassen sitzen und hinter Verkaufstheken stehen, mit ihren Familien,
Partnern, Freunden den Herbstmarkt genießen können, falls es ihnen der Sinn nach einer
harten Arbeitswoche nicht anderem steht.
Volker Metzroth
Ehrenamtlicher Pressesprecher des DGB Bad Kreuznach
Mitglied der lokalen Sonntagsallianz